Für ihre Rolle als Lydia Tàr ist Cate Blanchett heuer erneut für einen Oscar nominiert, es könnte ihre dritte Auszeichnung werden.
"Tár"
von Regisseur Todd Field, der im September 2022 in Venedig Weltpremiere feierte und Blanchett dort bereits den Schauspielerpreis einbrachte, zeigt Blanchett als die (fiktive) despotische Dirigentin der Berliner Philharmoniker, deren Privat- und Berufsleben aus den Fugen gerät, weil die Leidenschaft zu ihrer Ehefrau erkaltet und eine neue Geigerin in ihr Leben tritt.
Frau Blanchett, man kann gut sehen, wie intensiv Sie sich auf diese Rolle als Dirigentin eingelassen haben. Wie war es für Sie, in diese Welt der klassischen Musik einzutauchen?
Cate Blanchett: Es war elektrisierend. Es war absolut elektrisierend und nicht etwas, von dem ich dachte, dass ich es jemals erleben würde oder die Möglichkeit dazu haben würde. Ich liebe alle Formen von Musik, und sie ist oft ein Weg, der wie ein Bindegewebe fungiert, zwischen einem selbst und der unbewussten Verbindung, die man mit seiner Figur oder einem Umstand herstellt. Und so ist es für mich sowohl ein Werkzeug als auch ein Vergnügen gewesen, mich mit Musik zu beschäftigen, was ich schon mein ganzes Leben lang mache. Aber im Zentrum des Musikmachens zu stehen, ist beeindruckend. Dabei ist "Tàr" eigentlich kein Film über das Dirigieren; es ist nicht einmal ein Film über klassische Musik. Die Figur hätte genauso gut eine Meisterarchitektin oder die Chefin eines großen Bankkonzerns sein können. Dennoch war gerade die Musik für mich so aufregend: Wir mussten doch mit der Dresdner Philharmonie Musik machen. Das stand am Beginn unserer Arbeit zu "Tàr". Wir wollten so schnell wie möglich der Musik näherkommen, dadurch habe ich die Leidenschaft der Figur besser verstanden. Ich glaube, es war eine Tür, die sich durch die Musik geöffnet hat; eine Tür in die Psychologie und den emotionalen Zustand von Lydia Tàr. Sie wurde mir dadurch zugänglicher.
Hatten Sie Bedenken, der Aufgabe eines Dirigats rein technisch gewachsen zu sein?
Angst kann oft wie Autorität aussehen, und ich hatte schreckliche Angst, das authentisch rüberzubringen. Aber ich weiß auch, dass jeder Dirigent anders ist, was mir eine Menge Freiraum gab. Dennoch haben wir in der Vorbereitung viel geprobt, jede Musikstelle bis ins Detail aufgeschlüsselt und ich habe meine Angst wohl mit Selbstvertrauen oder Autorität überspielt. Das brachte mich im Endeffekt auch näher zur Figur. Aber das ist in jeder Rolle ähnlich: Anfangs musst du dich einer Unbekannten annähern, sie kennenlernen.
Wie haben Sie diese Lydia Tàr schließlich gefunden?
Ich habe noch nie eine so schwer fassbare und komplexe Figur wie Lydia Tàr gesehen. Ich bin gewöhnlich sehr auf Sprache fokussiert, und natürlich ist das erste Viertel des Films sehr sprachlastig, aber dann verliert sich das in Stille. In gewisser Weise habe ich mit dem begonnen, was sie liebte. Ich habe mit der Musik begonnen, mit dem, was sie am Leben und bei Verstand gehalten hat, und was sie durch die Ereignisse im Film zu verlieren droht.
Was sagen Sie den Kritikern, die meinten, Sie hätten hier eigentlich alle Eigenschaften alter, weißer Männer, die sonst den Klassikbetrieb beherrschten?
Ich denke nicht auf diese Weise. Ich denke, dass die Menschen voller unterschiedlicher Energien sind. Konkurrierende Energien, und ich habe sie nie wirklich nach Geschlechtern eingeteilt. Ich denke nicht auf diese binäre Weise. Aber ja, ich kann verstehen, dass sie so etikettiert werden. Ja, es ist ein sehr provokanter Film, aber es ist wirklich eine Untersuchung über die korrumpierende Natur der institutionellen Macht. Das betrifft jeden, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung oder seinem Geschlecht.
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